Geiz ist geil? – die Rache eines Arbeitsschweins
Mein Bruder wollte einmal einen Trüffelhund ausbilden. Das Tier hiess Bali. Vielleicht begann das Malaise mit der Wahl dieses Namens, denn in Bali erschiesst die Polizei in regelmässigen Abständen alle Hunde, die keinem identifizierbaren Besitzer gehören.
Hundelehrer war mein Bruder zwar nicht, aber passionierter Pilzler. Er war überzeugt, dass sich sein Faible für Pilze auf Bali übertragen liesse. Der aber zeigte nicht das geringste Interesse. Einmal zumindest liess er einen Hauch von Eignung aufblitzen, als er ein dunkles Knöllchen sichtete und sofort verschluckte. Allerdings nicht im Wald, sondern im Haus. Das Knöllchen entpuppte sich als ein Möcklein schwarzer Shit. Wie verhext lag der Hund auf dem Teppich, total stoned, und brachte seine viere nicht mehr hoch. Einen weiteren Energieanfall zeigte er nur einmal. Als mein Bruder langsam begriffen hatte, dass seine pädagogischen Fähigkeiten offensichtlich nicht ausreichten, Bali für die myzele Schatzsuche zu motivieren, versuchte er es mit Bestechung. Zum Geburtstag gab es Schoggistängeli, an Weihnachten lag ein Cervelat unter dem Lichterbaum. Bali fackelte nicht lange. Hellwach erschnupperte er die Beute, die in buntes Papier verpackt war, beklebt mit goldenen Sternen, verschnürt mit einem silbernen Bändchen. In einem wahren Furor packte er die Wurst, biss hinein, schlenzte den Kopf hin und her wie ein Krokodil, das ein Gnu zerreisst, und schaffte es schliesslich, das Papier zu zerfetzen und das Geschenk in zwei Happen zu verschlingen. Aber als er dann wieder unter die Eichenbäume geführt wurde, wars vorbei mit dem Engagement. Mein Bruder gab auf, der Hund verfettete.
Andere Trüffelsucher haben mehr Glück. Einige können sich dank ihrer Vierbeiner ein zweites Einkommen sichern. Im Piemont begleitete ich einmal einen Trüffelsucher. Sein Hund Cora, eine wendige Promenadenmischung mit einem sehr feinen Gespür, raste, mit seinen Nüstern über den Grund flatternd, von Baum zu Baum, blieb ab und zu stehen, stiess die Nase auf den Boden, sog tief den Geruch ein, grub dann wie wahnsinnig ein Loch und schnappte plötzlich zu.
Der erste Pilz war futsch. Der Trüffelsucher versuchte zwar noch, dem Hund die Schnauze aufzusperren, aber es war zu spät. Das Klümpchen war längst in den Hundemagen geflutscht.
Später war der Mann schneller. Morgens um zwei, als wir den Rückzug antraten, ruhten in seiner Tasche immerhin sechs wundervolle Albatrüffel. Auch der Hund war zufrieden, denn jedes Mal, wenn ihm ein Trüffel aus dem Maul gestohlen wurde, erhielt er sofort ein Fleischmümpfeli als Belohnung.
Ein anderer Piemonteser war mit deutlich weniger Grosszügigkeit ausgestattet. Sein Mangel an Altruismus war vermutlich der Grund, dass er mit einem Schwein auf Trüffelsuche ging.
Das Schwein ist ein Naturtalent, denn es lebt von den Früchten des Bodens – von Beeren, Eicheln, Pilzen und vielem mehr. Mit seinem Rüssel besitzt es das ideale Werkzeug. Es kann damit feinste Gerüche aufnehmen, den Boden aufwühlen, Löcher graben. Schweine werden seit je als Trüffelnavigatoren eingesetzt. Sie brauchen keine Dressur, sind indessen aus der Mode geraten, weil man einen Hund bequemer ins Auto verfrachten kann als einen 200 Kilo schweren Bomber.
Das Schwein des Piemontesers war gut. Es witterte den betörenden Trüffelgeruch im Nu, weil dieser auch die Liebeslust stimuliert. Als der Hosensack des Mannes mit Trüffeln gefüllt war, reichte es dem Schwein. Jede Knolle war ihm geklaut, keine einzige Belohnung gegeben worden. Es biss das geizige Herrchen ins Bein und presste die Kiefer so lange zusammen, bis der Mann alle Trüffel herausgerückt hatte. Fazit? Nichts verdient, dafür Spitalkosten. Moral? Kein Schwein arbeitet gratis.