Und ewig ruhen die Möpse

Die folgende Geschichte ist eine weitere Episode aus der komplexen Welt des Lebens als Paar. Wie kitten zwei, die sich prinzipiell lieben, ihre Beziehung? Die einen versuchen es mit Kindern, die andern mit Hunden.

Das Paar waren zwei Herren. Sie wohnten in der Stadt und pflegten das Landleben wochenends und ferienhalber in einem Häuschen im Wallis, vor allem deswegen, um ihre beiden Möpse der Sommerfrische zuzuführen. Der eine Mops, als Jöö-Memorabilie aus New York eingeflogen, entpuppte sich als gestörter Yuppie. Das Hündchen litt unter einem nervösen Magen, vielleicht auch unter Eifersucht, jedenfalls pflegte es sich über die Schuhe von Besuchern zu übergeben. Dies wurde this American in Switzerland stets aus vollen Herzen verziehen, denn die Liebe der Herren zu den Hunden war eine abgöttische.

Einst widerfuhr dem Mops als Hündchen der deutschen Dame ein ehrenwertes Leben. Heute allerdings ist die drollige Wurst aus der Mode getrippelt. Der Mops ist eine Art Volksausgabe des englischen Bulldog. Sein Gesicht sieht aus wie eine getragene Socke, die nicht vollständig umgestülpt worden ist. Die Fangverkürzung, also die Rückzüchtung der Beisserchen hinter die Augen, ist ihm wie den Grossen eigen, nicht gar so schlimm Atemnot und Verfettung. Gemäss Grzimeks Enzyklopädie können Möpse, diese munteren Kleinhunde und praktizierenden Flatulanten, «eine erstaunlich gute körperliche Verfassung aufweisen, was man von den grossen, molosseartigen Doggenvertretern wohl kaum behaupten kann». Deren Lebenserwartung ende bei etwa sechs Jahren. Die Kleinen dagegen schafften gut und gerne fünfzehn Jahre.

Ein Vorzug, der die Aufgabe als Beziehungskitt zweifellos erleichtert, heute jedoch, in der Zeit der rasenden Partnerwechsel, fast zu viel des Guten ist.

Eines Tages also begab sich der eine der beiden Männer übers Wochenende ins Wallis, um das gestresste Atemsystem der Hunde im Alpenklima durchzulüften. Als er wieder nach Hause kam, brachte er zwei Leichen mit. Er war erschüttert. Sein Partner völlig aufgelöst. Sie ergaben sich der Macht des Schicksals und errichteten im Salon einen Katafalk. Bahrten die sterblichen Überreste der Möpse auf, zündeten Kerzen an, drapierten Blumen, suchten Fotos und stellten die glücklichen Momente zweier Hundeleben aus. Dann hielten sie eine Nacht lang Totenwache.

Was war geschehen? Die Hunde hätten schon beim Abstieg vom Häuschen zum Parkplatz ungemein gehechelt und geröchelt, berichtete der Mann, der aus dem Wallis kam. Der andere war sichtlich irritiert. Eine merkwürdige Geschichte! Warum ist er denn nicht sofort zum Tierarzt gefahren? Gift schlich sich ein ins filigrane Geflecht dieses Zusammenlebens, das immerhin schon einige Jahre lang allen Anfechtungen standgehalten hatte.

Der daheim Gebliebene liess eine Obduktion vornehmen. Das Resultat war eindeutig, die Erkenntnis verheerend. Die Möpse waren an Kreislaufversagen verschieden. Sie krepierten vermutlich im überhitzten Auto, während sich das Herrchen auf dem Heimweg, irgendwo zwischen dem Wallis und der Grossstadt, mit seinem Seitensprung vergnügte.

Nun kam alles aus. Vorwürfe wurden laut. Gezeter zog sich über Tage hin. Tränen flossen, die Fassaden bröckelten, stürzten ein, lagen unter Staublawinen begraben. Dann war es ausgestanden – und die Beziehung die nächste Leiche.

Ihre ewige Ruhe haben die Möpse in zwei Urnen gefunden. Die Monumente stehen in einer gesegneten Ecke des Wohnzimmers, gestreichelt vom Duft frischer Blumen und glimmender Räucherstäbchen. Und im Schrein eingebettet auch die Asche der guten Jahre. Beklagt vom Mann, der geblieben ist.