Und werdet wie die Tiere

Vor kurzem wurde die Psychoanalyse gefeiert; wehmütig, denn richtig freudig einsteigen mag man da nicht mehr besonders. Zu aufwändig, jahrelang die Beine auf der Couch auszustrecken und während teuersten Bürozeiten das Seelenleben scheuern zu lassen. Wer kann sich solchen Luxus aus dem Betroffenheitsbasar alter Zeiten noch leisten?

Einfachheit ist wieder gefragt. Keine langen Diskussionen, kein Wenn und Aber, ein smartes Ja!, ein klares Nein! – das sind die Kronjuwelen des Entscheidungsträgers. Konsens? Ein Zeichen von Schwäche. Konkordanz? Prozac für Hoffnungsträger.

Hierarchien, die keine Zweifel gestatten, einfache Strukturen, die keinen Raum für Umwege bieten: Das sind die Parameter des modernen Managements. Die sind nicht gottgegeben, die hat, abgesehen von Naturtalenten, niemand intus, die muss man sich erwerben. Aber wo? Bei den Tieren. So verlangt es der Trend.

Werdet wie die Tiere, raten die Experten animalhumaner Betriebswirtschaftskurse. Lernen darf man zum Beispiel von den Pferden. Ein Pferd kann dem Manager in spe beibringen, wie man führt, ohne zu erschrecken. Das Pferd ist schliesslich ein Fluchttier – kein Stutenbiss wird grundlos angesetzt, zu gross der Stressfaktor.

Auch Esel werden als Vorbilder herangezogen, so sie sich denn bewegen lassen. Welches Tier eignete sich besser als der brave Graue, um Standfestigkeit zu demonstrieren? Wenn er auf dem Bahnübergang steht, den hupenden Intercity ohne mit der Wimper zu zucken ignoriert und sich partout nicht von den Gleisen zerren lassen will? Das ist Anschauungsunterricht, wie er schlüssiger und unterhaltsamer kaum sein kann.

Es ist gewiss nicht so, dass bei Führungslehrgängen mit Tieren als Vorbildern allein der Mensch profitieren würde, ganz und gar nicht, es ist ein Geben und Nehmen, denn auch das Tier erhält seinen Anteil, in Form von Zuneigung, Aufwertung, ja Emanzipation.

Ein geringer Preis, hält man sich vor Augen, was das Tierleben dem zeitgerechten Management an Verhaltensweisen zu Gunsten schnörkelloser Sozialkompetenz offerieren kann.

Wer zum Beispiel stellt das Geschlechtermuster überzeugender in Frage als die Gottesanbeterin, die ihren Begatter noch während des Aktes aufzufressen beginnt?

Was können wir von Ratten lernen wenn nicht die Kunst, sich in allen Situationen das Überleben zu sichern; aber auch blind hinter einer Leaderpersönlichkeit herzurennen, hat die sich erst einmal Meriten erworben.

An der Katze üben wir uns, bei aller Abhängigkeit stets auf das Wesentliche zu fokussieren und erst dann das Weite zu suchen, sollte der Futternapf nicht mehr gefüllt werden.

Interessant werden die Kurse, wenn die Lehrmeister unsere verborgenen, zumeist längst vergessenen Instinkte kitzeln. Wenn wir nachvollziehen möchten, wie die römische Wölfin mit ihren beiden Jungen klargekommen sein mochte.

Auf helvetischer Wildbahn sind Wölfinnen kaum zu finden, bloss Jungwölfe, die auf leisen Sohlen aus Italien kommen, um ein Revier zu suchen. An ihnen kann man das Wesen von Effizienz lernen: 3 Wölfe bringen 23 000 Schafhalter zum Tanzen, weil 450 000 Schafe zur Disposition stehen.

Doch Durchsetzungsvermögen allein führt selten zum Ziel. Entscheidend ist auch die Kosten-Nutzen-Rechnung, und da bietet sich als Lehrbeispiel für CEOs der Dompteur an, der seinen Kopf in den aufgerissenen Rachen des Krokodils steckt. Wer erleidet den grösseren Verlust, wenn die Kiefer zuklappen? Die Firma, weil sie ohne Kopf dasteht, oder das Krokodil, weil es sich um seine Zukunft gebracht hat?