Verpönt, verhöhnt, verkannt – und wieder eingespannt

Tiernamen, auf Menschen gemünzt, sind meistens zum Schaden der Bezeichneten gedacht – selten klingen sie positiv wie Löwe und Adler, beide Kämpfer und Könige, der eine am Boden, der andere in der Luft. Der Elefant hingegen gilt als Umstandstrottel, der allein durch seine Wucht den Porzellanladen schleift; da dem Grauhäuter noch viel stärker Weisheit und Intelligenz attestiert werden, nimmt man ihm seine trampelhafte Seite nicht allzu übel.

Ein dummes Huhn allerdings hat nicht viel zu melden, man hängt es gerne der aufdringlichen Nachbarin an; blöde Kuh der Konkurrentin beim Liebeswerben – wie Schlange, deren ätzendes Gift sich auch im Hirn der mobbenden Arbeitskollegin zusammenbraut; Kamel manifestiert Unachtsamkeit, gar Beschränktheit, Rindvieh konkurriert mit dem Elefanten, Kanalratte mit der Schlange, auch wenn sie vor allem in der Politik zu finden ist – wie der Affe, wieselflink in alle Richtungen turnend (von wem stammt schon wieder der Spruch: Je höher der Affe klettert, desto besser sieht man seinen Hintern?) oder der Fuchs, verschlagen und feige, dann der Büffel, der in tumbem Aktionismus keinen Fettnapf auslässt.

Fehlen Esel und Ochse. Sie sind Spitzenreiter in dieser Parade der verhöhnten und verkannten Kreaturen. Dabei stehen beide derzeit im Rampenlicht, im gleissenden Schein des Sterns von Bethlehem als treue Begleiter von Maria und Josef. Warum ausgerechnet Esel und Ochse? Weil ein nomadisierendes, gar verfolgtes Paar mit einem Elefanten nicht weit kommt, schon gar nicht in der Wüste, weil ein Kamel zu teuer und ein Pferd zu hysterisch wäre.

Der Esel ist das Haustier des Mittelmeerraums, vielseitig verwendbar und dem trockenen Klima angepasst, und der Ochse dient mit der Kraft des Stiers, den man zum Eunuchen geschnippelt und in ein landwirtschaftliches Gerät verwandelt hat. In der Weihnachtskrippe stehen beide Tiere still und stumm, brav und zahm. Doch in römischen Lustspielen musste der Esel schon damals als Synonym für einen dummen Menschen herhalten – auch wenn er, um 4000 vor Christus in Ägypten domestiziert, in Rom anfänglich geschätzt, dann aber zum Lastenträger degradiert wurde. In der Bibel darf sich der Esel edel präsentieren: Er trägt die flüchtende heilige Familie nach Ägypten und später den erwachsenen Jesus beim Einritt in Jerusalem. Als Bileam – ein alttestamentarischer Seher – pausenlos die Eselin prügelt, auf der er sitzt, lässt der Herr das Tier seinen Unmut in Worte fassen: «War es je meine Art, mich so gegen dich zu benehmen?» (4. Mos. 22,30).

In Ägypten spielt der Esel heute noch eine wichtige Rolle als Nutztier, das billiger als jeder Traktor ist. Tierfreunde schliessen entnervt die Augen, wenn sie sehen, wie übel der Esel in maghrebinischen Landen traktiert wird. In Asien wiederum stapfen unzählige Wasserbüffel durch die Reisfelder und ziehen einen Pflug durch den Matsch.

Nur im Europa nördlich der Alpen, wo der Esel gar nie beweisen konnte, was tatsächlich in ihm steckt – Eigenständigkeit, Genügsamkeit, Durchhaltewille, Schlauheit -, gilt er als blöd und stur. Hier steht der Esel im Schatten des Pferdes, dessen Motor weit weniger ökologisch funktioniert (etwa wie ein Offroader im Vergleich zu einem Hybridauto). Und nur da konnte ein Philosoph das Bild vom Esel spinnen, der genau in der Mitte zwischen zwei Heuhaufen steht – und verhungert, weil er sich nicht entscheiden kann, welchen er fressen soll.

In Südeuropa sind die Esel durchaus geschätzt, aber nicht mehr so zahlreich wie vor dem Siegeszug der Landwirtschaftsmaschine. Doch seit die Kosten für technisches Gefährt nur noch steigen, bahnt sich eine Renaissance für den Esel an. In Castelbuono, einer Kleinstadt in Sizilien mit gut 10 000 Einwohnern, hat der Bürgermeister gerechnet: Die Anschaffung eines Kehrichtwagens kostet 47 000 Franken, Unterhalt und Treibstoff verschlingen 13 000 Franken pro Jahr. Der Kauf eines Esels kostet 2000 Franken, für Futter und Betreuung braucht es 3000 Franken; macht zusammen 5000 Franken, mal sechs gleich 30 000 Franken. Seit bald einem Jahr schleppen nun sechs Esel die Abfälle aus Castelbuono. Billiger, umweltschonend – und effizient: Die Tiere, die den Unrat in zwei Holzkisten rechts und links des Körpers tragen, können im Gegensatz zu den Lastwagen auch die engsten Gassen passieren. In nicht einmal einem Jahr haben sie bereits 140 Tonnen mehr Abfall aus dem Ort geschafft als die Müllwagen im gleichen Zeitraum vorher.