Bär im Bräter

Seit 2005 haben mehr als 20 Bären die Schweiz besucht. Zwei eingewanderte Bären sind getötet worden, 2008 JJ3 und 2012 M13, der heute als Exklusivität im Museo Poschiavino verstaubt. Mit geschossenen Wölfen könnte man bald einmal das ganze Landesmuseum bestücken. Was tun mit diesen Carnivoren? Ausstopfen oder vernichten? Warum nicht verwerten?

M13 im Museum von Poschiavo.

Meine Freundin Rita hat gesagt, es sei einleuchtend, dass Millionen Rinder, die zu Fleischlieferanten gezüchtet werden, die Natur kaputt machen. Man müsste weniger Fleisch essen. Oder könnte sich fragen, was mit den Raubtieren geschehen soll, die bei uns abgeknallt werden. Das Fell ausstopfen, den Rest verbrennen? Warum Wolf und Bär nicht kochen?

Wie Wolfsbraten schmeckt, weiss ich nicht. Ich hatte noch nie die Gelegenheit, Wolfsfleisch zu essen. Hund dagegen schon, einmal als scharfes Curry in Indonesien, einmal als Fälschung in einem chinesischen Restaurant in Malaysia: Angekündigt wurde geschmorter Rottweiler, teuer und exklusiv in diesen Breitengraden, serviert etwas wie Kalbsragout.

Wolf ist wie Fuchs ein Carnivore, und Fleischfressern fehlen die geschmacklichen Feinheiten von Pflanzenfressern, die mit ihrer Nahrung eine weit nuanciertere Palette an Geschmacksstoffen aufnehmen. Ein Jäger erzählte mir, Wolf würde wie Fuchs heftig «wildelen». Deshalb müsse man ihn als Pfeffer zubereiten. Also tagelang in einer Marinade, die mit Essig statt Wein angesetzt wird, ziehen lassen – und am Ende feststellen, dass im Gaumen nur noch die Marinade präsent ist.

Als Urmutter des Hundes dürfte der Wolf ähnlich schmecken, allerdings kaum wie ein gesottenes Fidettli, das zu seinen Lebzeiten mit Foie gras gestopft wurde. Und da liegt das Problem: Hund im Topf ist heute tabu. Wenn bei vielen Tierfreunden bereits beim Gedanken an Pferdesteak die Contenance zu flirren beginnt, erst recht bei Büsi und Hündli. Die Zeiten, als man auch hier zur Not den altersschwachen Hofhund in den Ofen schob, sind Vergangenheit. Dagegen zirkulieren stets Gerüchte, dass verschwundene Katzen, deren Bildchen an Mauern, Kandelabern und Hauseingängen kleben, längst in geschmorte Kaninchen verwandelt worden sind.

Es bleibt neben dem Hund nur der Bär, der auch hierzulande zur kulinarischen Tradition gehörte – zumindest solange, bis der letzte Petz ausgerottet worden war (einmal ab gesehen von frischen Wanderbären, die allerdings noch keine Population gebildet haben). Dies geschah 1904 im Val da la Chaldèra am Piz Pisoc im heutigen Nationalpark. Zwei Jäger erlegten eine sechsjährige Bärin. Drei Jahre später begann der Nationalpark in naturschützerischen Sozietäten als Idee zu keimen.

Diesen Braten hat Küchenchef Alex Buchhofer nicht gerochen. Sonst hätte er, 30 Jahre nach dem Abschuss des letzten Bären, in der zehnten Auflage seines Werks «Schweizer Kochlehrbuch» kaum fünf Bärenrezepte stehen lassen. «Das Bärenfleisch ist ziemlich grobfaserig und hat einen starken Wildgeschmack, besonders von älteren Tieren. Von zwei- bis dreijährigen Bären ist das Fleisch jedoch sehr gut», schreibt Buchhofer.

Neben Klassikern wie Filet, Rücken, Pfeffer und Schinken, die auch mit anderem Wild zubereitet werden können, präsentiert Buchhofer ausführlich sein Rezept mit «Bärentatzen – Pattes d’ours». Uns mag es als anachronistisches Kuriosum erscheinen, aber in andern Ländern werden Bärentatzen gerne verzehrt. «Die vorderen Tatzen sind besser als die hintern; sie werden gehörig gewaschen, die Krallen abgeschnitten und die Füsse enthäutet.» Anschliessend blanchieren, dann in einem Sud «wie zu Wildschweinbrust» fünf bis sieben Stunden kochen. Nun «hebe sie auf ein Brett heraus, beine sie gut aus, ohne zu stark zu zerreissen, binde sie mit einem fingerbreiten Bändel wieder gut zusammen, dass sie wieder in die richtige Form kommen». Mit «Sauce piquante oder Sauce Cumberland servieren».