Coupierwein

Bei einem Gespräch mit dem Weinhändler Peter Riegger über Veränderungen in Rebbau und Weinhandel hat Riegger von Coupierwein erzählt, den sein Vater und Grossvater einst angeboten haben.  Was war das?  Irgendetwas Gepanschtes vermutlich, möchte man meinen.

Das kommt der Sache tatsächlich nahe, aber der negative Beiklang muss nicht zwingend mitschwingen. Panschen bedeutet laut Duden, «ein (alkoholisches) Getränk verdünnen, verlängern, verschneiden» – aber auch «verfälschen». Verlängert man Wein mit Wasser, bedeutet das nicht eine wundersame Vermehrung biblischer Dimension, sondern schlicht Strecken. Betrug ist es deswegen nicht. Meine Tante hat ihren Wein mit Mineralwasser gepanscht (oder hat sie ihr Wasser mit ein paar Tropfen Wein gewürzt?), aber sie hat sich ja nicht selber übers Ohr hauen, sondern vor einem Räuschlein bewahren wollen. Wasser im Wein ist altvertraut, «im antiken Griechenland beispielsweise wäre es niemandem eingefallen, unverdünnten Wein zu trinken», steht im Oxford Weinlexikon. Die honigsüssen Weine waren oft zu schwer. Grundsätzlich aber gilt: Verdünnen «wird erst dann ungesetzlich, wenn es in betrügerischer Absicht geschieht, um den Käufer zu täuschen oder den Steuereinnehmer hinters Licht zu führen.»

Coupieren kommt von Coupage, Verschnitt. Darunter versteht man das Arrangieren von Geschmack. Spitzenchampagner und -bordeaux sind die Krönungen der verschnittenen Weine, nur drückt man es, passend zu Wertschätzung und Preisen, etwas vornehmer aus: Assemblage statt Coupage, Komponieren statt Kombinieren. Verschiedene Rebsorten und Jahrgänge, unterschiedliche Weinberge, daraus lässt sich Stil entwickeln. Oder, gibt man Schnaps zum Wein, auch noch die Haltbarkeit verbessern, wie das Beispiel der Portweine zeigt.

Am andern Ende des Spektrums verschneidet (vielmehr verschnitt, denn heute ersetzt zeitgemässe Technologie manchen alten Trick) man magere Weine mit fetten, hellrote mit dunkelroten, genannt Färberweine. Mit Algerier liessen sich anämische Franzosen dopen; aus Apulien wurde Primitivo und Negroamaro nach Norden transportiert, um bleiche Säfte aufzupeppen. Im 18. Jahrhundert donnerten Weinhändler sogar im Bordelais feine heimische Weine mit Muskelprotzen aus Spanien oder dem Rhonetal auf. So dass der englische Essayist Joseph Addison 1709 über «jene Bruderschaft von chemischen Operateuren» spotten konnte, «die Bordeaux aus einer Schlehe quetschen und Champagner aus einem Apfel ziehen».

Das zielt Richtung Coupierwein, wie er in der Schweiz gebräuchlich war. In einer Annonce in der Freiburger Zeitung wurden im Juli 1896 «Reelle Naturweine» angeboten: «Span. Tischwein 100 Ltr. Fr. 29; Coupierwein, extra stark 100 Ltr. Fr. 32; Span. Weisswein 100 Ltr. Fr. 32, bei J. Winiger, Boswyl, (Aarg.)».

Weisswein aus Spanien spielte in einem Bundesgerichtsurteil von 1900 eine Rolle. Ein Weinhändler aus Zug klagte gegen seinen Lieferanten in Sax, Provinz Alicante, weil er schlechten Wein erhalten habe. Sogar der Kantonschemiker war involviert, der festgestellt hatte, dass «der gelieferte Wein wegen übermässigen Gehalts an freier schwefliger Säure als <Genusswein> gesundheitsschädigend sei». Die Spanier machten geltend, «dass es sich um sogen. Coupierwein» handelte, «um Wein, der zum Verschnitt mit anderem bestimmt gewesen sei». Das Gericht entschied zugunsten des Zuger Händlers.

Eine Erweiterung des Repertoires war die Verheiratung von schwerem Wein aus Spanien mit Apfel- und Birnenmost. Da steckt neben Bauernschlauheit gar ein Hauch von Glamour drin, von Kir Royal. Doch kein Barkeeper würde rustikalen Coupierwein zur Hand nehmen. Ein Cocktail ist er trotzdem, halt mit bukolischem Flair.