Warum isst man im Western immer Bohnen?
Leser C. F. schaut gerne Western. Irgend einmal ist ihm aufgefallen, dass immer Bohnen gekocht werden, in der Regel im Freien mit zerbeultem Blechgeschirr. Nun stellt er sich die Frage, warum eigentlich.
Getrocknete Bohnen sind billig, nahrhaft und dank hohem Proteingehalt gesund. Sie sind leicht und logistisch längst nicht so heikel wie etwa rohe Eier – deshalb sieht man in zerbeulten Blechtellern selten Spiegelei auf Bohnenbrei. Cowboys, Banditen und Siedlertrecks waren im 19. Jahrhundert zwischen Atlantik und Pazifik nicht viel anders unterwegs als Campingtouristen heute. Zwar in der Vergangenheit und nur auf der Leinwand, dafür nicht im Stau. Wer ohne feste Bleibe reist oder diese auf einklappbare Dimensionen verkleinert hat, muss praktisch denken. Die technischen Voraussetzungen, die Bohnen weich zu kochen, stellen keine speziellen Anforderungen. Mehr als Wasser und Salz braucht es nicht.
«Das Geniale am Western ist sein einfaches Rezept: Good guy meets bad guy – bad guy turns worse – showdown», schreibt Wolfram Knorr im Buch «Geschmack im Film» (Echtzeit Verlag). Und expliziert weiter: «Das lässt sich natürlich variieren, mit üppigen Zutaten versehen oder mit fremden kreuzen. Der Western ist die Volksküche des elektronischen Zeitalters.»
Mit verkochten Bohnen als Konstante. Es wäre kurios, müsste man als Zuschauer zwischen vier Fäusten für ein Halleluja und einem Hagel blauer Bohnen einem elaborierten Diskurs am Lagerfeuer folgen – etwa über die Eigenheiten von Roten und Schwarzen Bohnen aus amerikanischen Böden, unseren vertrauten europäischen Acker- oder Saubohnen, bis zu afrikanischen Mungobohnen oder ostasiatischen Adzukibohnen.
Über Bohnen muss man nicht parlieren. Oder kann man sich Clint Eastwood, den Stillen, als Teilnehmer eines Colloquiums über Raffinessen beim Bohnengenuss vorstellen? Doch eher als Mann, dem Essen egal und Bohnen wurscht sind.
Mögen Western bis ins Innerste ihres Genres die archaischen Seiten des Menschen beschwören, so sickern immer wieder Zeitgeist und ein Hauch von Moderne in die Szenarien. Der Wilde Westen wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts gezähmt. Die Figuren brauchten dennoch nicht selber Bohnen zu pflücken und von Hand zu pullen.
Der amerikanische Bürgerkrieg löste 1861 eine gewaltige Nachfrage nach Dosennahrung aus, vor allem Schweinefleisch und Bohnen – zu dieser Zeit wurde eine Sorte als navy bean bezeichnet, weil sie zur kulinarischen Grundausstattung der amerikanischen Marine gehörte. Die Bohnensorte wurden in den USA und in Kanada angebaut, um die Konservenindustrie zu alimentieren.
Erfunden wurde die Konserve bereits 1804. Nicolas Appert präsentierte sie in Form luftdicht verschlossener Gläser und gewann 12000 Goldfrancs, die Napoleon ausgesetzt hatte, um neue Methoden zu entwickeln. 1810 ersetzte der Engländer Peter Durand das Glas durch Blech. 1817 führte ein anderer Engländer, William Underwood, die Konservendose in Nordamerika ein, um Austern und Hummer einzumachen und auszuführen. Die Büchsen wurden verbessert und 1866 mit einem Öffnungssystem versehen, so dass niemand mehr zu Hammer und Meissel greifen musste – lonesome riders inklusive.
Ob auch Clint Eastwood Konservendosen auf derart brachiale Art zu öffnen hatte, entzieht sich meiner Erinnerung. In Pferdeopern schenkt man der Kochkunst kaum Beachtung, nicht einmal im Italo-Western. Ihm zu Ehren trotzdem ein delikates Bohnengericht aus Italiens Küchen, fagioli alla fiorentina: weisse Bohnen gekocht mit Knoblauch, Rosmarin, Lorbeer, Salz, Pfeffer und Olivenöl. Auch wenn Sergio Leone Römer und nicht Toskaner war – Nachkochen empfohlen, Nachsicht erbeten.